Schluss mit der strukturellen Gewalt im Wohnungsamt!

Das Ablaufen der Frist rückt immer näher und die Spitzen von Verwaltung und Kommunalpolitik der Landeshauptstadt Hannover scheinen den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen zu haben. Um Druck vom Kessel zu nehmen wurde letzte Woche verkündet, dass ein neuer Tagestreff, betrieben vom Bereich Unterbringung in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz, am 16.11 im ehemaligen Schulzentrum Ahlem eröffnet wird. Die von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit betroffenen Menschen werden also weiter buchstäblich an den Rand der Stadt gedrängt. Unabhängig davon, dass die Auswahl des Standortes an Lächerlichkeit kaum zu überbieten ist, geht die Eröffnung völlig an den Bedarfen der Betroffenen vorbei. Die Menschen brauchen keinen weiteren Tagestreff mit „attraktivem Angebot“ (Sylvia Bruns, Sozialdezernentin), sondern eine würdevolle und bedarfsgerechte Einzelunterbringung, in der sie sich rund um die Uhr, vor der Pandemie und dem bevorstehenden Winter schützen können.

Dass die Kommune bei der Unterbringung weiterhin keinen Handlungsbedarf sieht, verdeutlicht der Baudezernent Thomas Vielhaber: „”Wir haben freie Notschlafplätze. Und wir haben freie Plätze für dauerhafte Unterbringung.” In Hannover müsse niemand auf der Straße schlafen.“ (Hannover.de) Dass die freien Plätze so menschenunwürdig sind, dass Betroffene zum Teil trotzdem lieber auf der Straße schlafen, als diese in Anspruch zu nehmen, scheint irrelevant zu sein und bezeugt die Ignoranz der Verwaltungsspitze gegenüber der existenziellen Notsituation der Betroffenen.

Und auch wer die “Dienstleistungen“ des Wohnungsamtes (Bereich Unterbringung) in Anspruch nehmen musste, wird wahrscheinlich nicht den Eindruck erhalten haben, dass die Stadt alles dafür tue, dass niemand auf der Straße schlafen muss. Das Wohnungsamt koordiniert die Unterbringung und muss von Betroffenen angelaufen werden, wenn diese ihre Obdachlosigkeit beenden wollen. Die Eingangstür wird vom Sicherheitsdienst bewacht und dort findet eine erste “Prüfung“ des Leistungsanspruches statt. Betroffene werden zum Teil bereits dort abgewiesen, wenn sie nicht die passenden Satzbausteine parat haben. Sollten sie diese Hürde genommen haben werden sie auch im Wohnungsamt stetig vom Sicherheitsdienst bewacht und bei kleinsten “Verfehlungen“ gemaßregelt.

Anschließend müssen die Betroffenen den “Empfang“ im ersten Stock passieren. Dort wird ihnen in teilweise sehr aggressivem Ton mitgeteilt welche Unterlagen vorgelegt werden müssen. Sollte die Person z.B. über keine gültigen Ausweispapiere verfügen wird sie am Empfang abgewiesen und muss, in der Obdachlosigkeit verbleibend, zunächst einen Termin beim zuständigen Bürger*innenamt machen, um neue Ausweispapiere zu erhalten. Anschließend “darf“ sie wieder beim Wohnungsamt vorsprechen.  Auch am Empfang wird alles dafür getan, die Betroffenen nicht unterbringen zu müssen („Ihre letzte Meldeadresse war in Hamburg. Sie müssen nach Hamburg fahren, wir sind gar nicht für sie zuständig.“ oder „Sie haben Ihre Wohnung selber gekündigt, demnach sind Sie freiwillig obdachlos, wir können leider nichts für Sie tun“). Nur wer seinen Rechtsanspruch genau kennt oder in fachkundiger Begleitung ist, schafft es im Wartezimmer Platz zu nehmen.

Nach der Aufrufung beginnt die eigentliche Prüfung. Zum dritten Mal müssen die Betroffenen nun Ihre Situation darlegen. Auf individuelle Bedürfnisse bei der Auswahl der Unterkunft (z.B. Nähe zur Arbeitsstelle oder dem familiären Umfeld) wird keinerlei Rücksicht genommen („Das ist hier kein Hotelbetrieb!“). Das ganze Vergabeverfahren ist für die Betroffenen völlig intransparent und willkürlich. Dies betrifft neben der Auswahl der Unterkunft, auch die Belegungsgröße des Zimmers. Von Einzelunterbringung (sehr selten) bis zum Vierbettzimmer ist auch in Zeiten der Corona-Pandemie alles möglich.

Diese Systematik ist menschenverachtend, wird von vielen Betroffenen als massive Gewalterfahrung wahrgenommen und behindert eher bei der Überwindung der existenziellen Notsituation, als dass sie dabei unterstützen würde.

Wir fordern, dass die Betroffenen von der städtischen Verwaltung endlich als Bürger*innen mit Rechtsansprüchen wahrgenommen und nicht wie Bittsteller*innen behandelt werden. Neben einer würdevollen und bedarfsgerechten Einzelunterbringung mit eigener Küche und Badezimmer, welche mietvertraglich abgesichert ist, müssen die Mitarbeiter*innen im Wohnungsamt und den Unterkünften sensibilisiert werden, damit diese strukturelle Gewalt endlich aufhört!

Wir halten an unserer Frist bis Ende November fest!

SONST BESETZTEN WIR!

This entry was posted in Uncategorized. Bookmark the permalink.